Heute hat mich ein Fragekatalog von einem Insassen der JVA in Hinzistobel erreicht. Dieser möchte eine Projektarbeit mit dem Thema: "Die Gastronomie im Landkreis RV" im Knast schreiben. 20 Fragen hat er mir gestellt die ich hier beantwortet habe. Diese Fragen und die Antworten darauf können auch für viele andere Menschen interessant sein. Deshalb hier eine Veröffentlichung in meinem Blogg...:
1-Was umfasst der Begriff Gastronomie? Gastronomie ist die Freude an schönen Orten mit gutem Essen und tollen Getränken sein zu dürfen.
Zumindest ist dies für mich die Interpretation. Leider ist das eben nicht bei allen Menschen so die in der Gastronomie arbeiten.
Wikipedia erklärt dies so:
Die Gastronomie ist jener Teilbereich des Gastgewerbes, der sich mit der Bewirtung von Gästen befasst. Im Gegensatz zu den Gaststätten befriedigt Gastronomie nicht nur die Bedürfnisse Hunger und Durst, sondern auch den kulturellen Bedarf an Erlebnis und Kommunikation. Gastronomie ist eine Sonderform der Gemeinschaftsverpflegung.
2-Erzählen Sie mir bitte ein bisschen über Ihren Betrieb.
Wir betreiben zwei Schlösser. Einmal Schloss Amtzell als reine Eventlokation und eben die Waldburg als Gastronomie, kleines Hotel (eine Suite), auch Eventlokation und privat geführtes Museum. Es macht sehr viel Spaß und Freude diese Betriebe führen zu dürfen. In Amtzell haben wir in verschiedenen Sälen Platz für bis zu 250 Personen. Auf der Waldburg haben wir Platz für bis zu 220 Plätze indoor und zusätzlich 140 Plätze im Biergarten.
3-Wie waren die Abläufe vor der Corona Krise?
Wir arbeiten sehr viel im Büro. Wir das sind inzwischen 5 Personen die Vollzeit angestellt sind. Wochentags finden weniger Veranstaltungen statt. Unsere a la Carte Gastronomie ist nur am Wochenende im Sommer geöffnet.
4-Wieviele Betriebe gab es vor der Krise und wieviel gibt es jetzt?
Sie meinen Gastronomie Betriebe bei uns im Landkreis? Das ist leider nicht so einfach zu beantworten. Leider gibt es immer noch viele Betriebe die nicht in der DEHOGA organisiert sind. Bei uns im Landkreis sind ca. 320 Betrieb DEHOGA Mitglieder. Diese Zahl ist einigermaßen stabil geblieben. Es gibt in der Gastronomie immer jährlich eine erhöhte Fluktuation. Dies liegt leider sehr oft an Mängeln in der kaufmännischen Ausbildung der Unternehmer. Ich gehe davon aus, dass wir einen Betreiberwechsel von ca. 15-20 % im Jahr haben.
5-Wie haben Sie den ersten Lockdown erlebt? Welchen Einfluss hatte er auf ihren Betrieb?
Wir haben im ersten Lockdown 3 Monate an Umsatz verloren. Unseren Betrieb traf dies ungleich härter da ja nach dem Lockdown noch lange Monate keine Veranstaltungen durchgeführt werden durften. Wir haben in diesen Monaten ein e a la Carte Gastronomie auf der Waldburg aufgebaut. Das bedeutet unsere Gewinne sind drastisch gesunken durch den erhöhten Personal und Materialaufwand.
6- Welche Strategien verfolgten Sie im 2. Lockdown, nach dem Sie den 1. Lockdown erlebt haben? Was haben Sie in Ihrer Struktur angepasst?
Im zweiten Lockdown waren wir insgesamt 7 Monate geschlossen. Diese Zeit haben wir genutzt zum Renovieren und eine neue Museumskonzeption an den Start zu bringen. Heute stehen wir einfach auf mehr Säulen (Event, Museum, a la Carte, Veranstaltungen im Museum, Weinhandel). Allerdings ist unser Kerngeschäft nach wie vor der Veranstaltungsbereich,
7-Wie haben Sie die Corona Krise überwunden (Kurzarbeit)?
Unsere Mitarbeiter mussten wir in Kurzarbeit schicken. Solange wir konnten haben wir die 60 % Regelung zusätzlich privat aufgezahlt. Unsere privaten Reserven sind geschrumpft.
8-Welche Hilfen haben Sie wann vom Staat bekommen?
Soforthilfe April 2020
Novemberhilfe Januar 2021
Dezemberhilfe
Februar 2021
Mwst. Reduzierung
Überbrückungshilfe
Juni 2021
Digitalisierungsprämie Juni 2021
Spannend wird es jetzt wieder im Winter…
9-Wie waren die Gästezahlen vor dem Lockdown und wie sind die Zahlen aktuell?
Die Zahlen im Sommer 2021 waren für die a la Carte Gastronomie etwa 30% unter Vorjahresniveau. Bei Veranstaltungen war dies locker ein Rückgang von 50 % bis heute. (Absagen Weihnachtsfeiern, ein Jahr keine Ausflugsbusse.)
10-Wie war die Stimmung der Gäste angesichts der Corona Situation?
Zum Teil sehr ängstlich. Es wurden keine Veranstaltungen gebucht. Ab Ende Sommer 2021 hatte sich vieles relativiert. Jetzt ist es ein Fiasko wegen 2G+
11-Wie ist die jetzige Lage?
Die aktuelle Lage ist dramatisch. Umsatzrückgänge von 80 % sind keine Seltenheit. Leide isz kein Licht am Ende des Tunnels.
12- Hatte die Corona Krise nur negative Einwirkungen oder gab es auch positive?
Es gab den positiven Effekt den Kopf frei zu bekommen und die bisherigen Konzeptionen in der Gastronomie und im Museum zeitgemäß anzupassen.
13-Wie haben Sie allgemein auf die Regierungsentscheidungen, die die Wirtschaft betreffen reagiert?
Sehr oft mit Unverständnis für manche Entscheidungen. Das wichtigste war uns Gastronomen war immer die Gesundheit unserer Gäste und Mitarbeiter.
14-Was braucht die Gastronomie um jetzt zurück zu der Lage vor Corona zukommen?
Wir brauchen finanziell etwas Luft um atmen zu können. Die Entfristung der Mehrwertsteuer Reduzierung ist hier sehr wichtig. Das Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter muss angepasst werden.
Wir brauchen Marketingmaßnahmen um den internationalen Tourismus wieder in Gang zu bringen. Wir brauchen dringend Mitarbeiter.
15-Wie lange wird es dauern?
Ich denke wir werden noch jahrelang mit dieser Pandemie zu kämpfen haben. Es muss sich vieles den neuen Gegebenheiten anpassen.
16- Gab es im Personalbereich wegen der Krise bestimmte Probleme? Welche Probleme waren das und wie haben Sie sie gelöst?
Das größte Problem ist das während der Lockdowns viele Mitarbeiter in andere Berufszweige abgewandert sind. Dies lang oft an der Höhe des Kurzarbeitergeldes. Wir haben hier wenig Probleme gehabt durch die Aufzahlungen die wir freiwillig geleistet haben.
17-Wieviele Auszubildende gab es vor und nach der Corona Krise?
Wir haben hier einen Einbruch von ca. 30% verschmerzen müssen in der Branche
18-Was sind Ihre Forderungen an die Landesregierung?
a. Gestattungsvergabe an Vereine. Im Gesetz steht geschrieben: Gestattungen sind nur aus wichtigem Grunde z.B. Jubiläen zu vergeben. Bei vielen Festen ist dies nicht gewährleistet. Wir selber können ja auch immer wieder ein Fest genießen. Es gibt ja auch tolle Feste die weiterhin gerne stattfinden sollen. Aber muss wirklich jede Gestattung erteilt werden? Jedes Wald-, und Wiesenfest schmälert unseren Umsatz. Wie wäre es, wenn eine Vereinsförderung stärker an die Jugendarbeit geknüpft wird. Dies wäre dann eine Möglichkeit, dass Vereine sich auch anders finanzieren können. Die Genehmigungen der Gestattung weg von der Gemeinde, hin zu einem Beamten, der nicht so unter Druck steht, zu genehmigen wie ein Bürgermeister, der wiedergewählt werden möchte.
b. Dorfgemeintschaftshäuser/Vereinsheime
Ein großes Problem für die Gastro. Viele Betriebe verschwinden durch diese Konkurrenz. Oftmals staatlich gefördert/gebaut. Viele dieser Vereinshäuser machen mehr Veranstaltungen als sie glauben, ohne die dafür passende Konzession. Der Betrieb wird von Vereinsmitgliedern aufrechterhalten die meist unentgeltlich arbeiten. Der Gewinn wird oftmals über mehrere Fördervereine abgerechnet. Dies ist ein Thema bei dem uns Gastro Menschen die Tränen in die Augen steigen. Nebeneffekt ist hier, dass auch das Vereinshaus als interne Vereinsgaststätte genutzt wird. Vor 30 Jahren gab es in meinem Heimatort noch 6 Gaststätten. Heute haben wir noch eine Dorfwirtschaft. Der Wirt ist 76 Jahre alt, kann sich das aufhören aber nicht leisten. Vereinsheime haben wir inzwischen 8 Stück ...
2. Konzessionsvergabe neu regeln
In Deutschland haben wir eine vielfältige und bunte Gastro. Eine Branche in der auch Quereinsteiger Fuß fassen können. Das ist auch gut so. Allerdings sollten Menschen die sich Selbstständig machen über ein solides Grundwissen verfügen um auch finanziell überleben zu können.
a. Wir haben das Problem, dass jeder ohne irgendeine Qualifikation sich in der Gastro selbstständig machen kann. Hier sollte den Menschen dringend geholfen werden die sich in dieses Risiko stürzen. Das kann passieren durch eine berufliche Qualifikation. Es wäre bestimmt sinnvoll, wenn hier ein paar Stunden zum Steuerrecht in den Lehrplänen aufgenommen werden.
Für Quereinsteiger könnte dieses Wissen über die Verpflichtung bei einer Konzessionserteilung in einem Zeitraum von 2-3 Jahren an der DEHOGA Akademie/IHK durch einen Kurs nachgeholt werden. Die meisten Betriebe gehen durch Steuernachzahlungen/Vorauszahlungen insolvent. Dies könnte wirklich einfach verhindert werden. Auch Steuerberater sollten hier viel stärker in die Pflicht genommen werden.
b. Konzessionsgebühren überdenken. Für eine Stadt sind die Konzessionsgebühren kein großer Haushaltsposten. Für den Existenzgründer aber schon. Vielleicht macht es Sinn sich hierüber einmal Gedanken zu machen.
3. Destinationen - redet mit Euren umliegenden Gastronomen.
a. Ideen entwickeln um sich gegenseitig zu befruchten. Selber bin ich in der glücklichen Lage eine Destination und zugleich eine Gastronomie zu führen. Ich habe hier kurze Wege bei der Ideenfindung. Hier ein Denkansatz der auf der Waldburg funktioniert im Bereich der Busgruppen:
„Schwäble gehen“ heißt:
Dauer 2 Stunden Essen und Getränke inklusiv:
z.B. Regionaltypische Vorspeise und Hauptgang
Ebenfalls inklusiv ein „Kulturprogramm“
Dies kann vom Kräutergarten, über eine Stadtführung, Kirchenführung bis hin zu einer Betriebsbesichtigung gehen.
Der Preis kann von Betrieb zu Betrieb variieren.
Mit diesem Angebot hat der Busunternehmer eine feste Größe und nur einen Ansprechpartner. Dieses Arrangement das bei uns auf der Waldburg „Schwäble gehen“ heißt (angelehnt an das „Torggelen“ in Südtirol) funktioniert auf der Waldburg sehr gut. Eine Vermarktung könnte hier wunderbar über die Touristeninformationen funktionieren.
b. Gemeinsame Werbemittel erarbeiten. Dies kann vom Bierdeckel zur Wildwoche bis zum gemeinsamen Flyer funktionieren. Helft Eurer Gastro.
4. Privat geführte Museen ohne öffentliche Förderung
a. Auf der Waldburg führen wir ein Museum privat.
Historisch gesehen ist die Waldburg einzigartig im Süddeutschen Raum. Von der Museumsfläche gehören wir hier auch zu den größten privat geführten Museen in BaWü. Wir bekommen hier keinerlei Förderung oder andere öffentlichen Gelder. Das führt hier im Museumsbereich zu einer eklatanten Wettbewerbsverzerrung. Selber habe ich pädagogische Kinderprogramme zur Förderung bei der Gemeinde, beim Landratsamt und beim Kultusministerium angefragt. Von allen Seiten habe ich hier nur abschlägige Bescheide erhalten. Die staatlich geführten Schlösser und Burgen verfügen hier über einen beträchtlichen Haushalt. Eintrittspreise sind bewusst niedrig gehalten. Als privat geführtes Museum müssen wir unsere Kosten gedeckt halten. Wir können hier niemals konkurrieren zu den staatlich geführten Museen. Mir ist bewusst, dass das Land und der Bund einen Bildungsauftrag haben. Meiner Meinung nach könnte hier doch auch bei privat geführten Museen auch über eine zweckgebundene Bezuschussung nachgedacht werden um diese Wettbewerbsverzerrung etwas auszugleichen und für faireren Wettbewerb zu sorgen. Hier könnte bestimmt ein Maßnahmenkatalog ausgearbeitet werden. Gerne bin ich hier zu einer Mitarbeit bereit.
b. Bestimmt wäre es sinnvoll über Möglichkeiten und Kooperationen im Museumsbereich nachzudenken. Bestimmt können hier Denkansätze erarbeitet werden die die Museen gegenseitig befruchten. Leider haben Museen gerade bei jungen Menschen ein etwas angestaubtes Image. Dies sollte angegangen werden. Vielleicht kann auf dem Freigelände bei den Museen hier ein Angebot geschaffen werden, dass auch junge Menschen anspricht.
5. Finanzielle Situation in der Gastro
a. Wir Gastronomen arbeiten in einer Branche in der wenig Geld verdient wird. Viele Betriebe werden von Menschen geführt die eigentlich das Rentenalter bereits erreicht haben. Leider steht für viele die Rente in weiter Ferne aufgrund der Tatsache, dass kein Vermögen aufgebaut werden konnte. Die Erlöse in der Gastronomie geben dies oftmals nicht her. Wie kann dieses Problem angegangen werden?
Oft haben diese Gastronomen ein großes Rad gedreht und viele Mitarbeiter beschäftigt. Selber sind sie auf der Strecke geblieben. Leider dabei die eigene Altersvorsorge immer wieder in den Betrieb investiert. Im Alter stehen diese Gastronomen jetzt ohne Einkommen da. Als Altersvorsorge ist immer die Verpachtung des eigenen Betriebes angesetzt worden. Leider möchte nun keiner den Betrieb pachten. Oder es ist so dass der verpachtete Betrieb keine Erlöse abwirft. Dies liegt sehr oft an einer mangelnden Voraussicht.
19-Was wünschen Sie sich von dem neuen Bundestag im Hinblick auf die Wirtschaft und die Gastronomie?
Die Entfristung der Mehrwertsteuersenkung für diue Gastronomie und die ausweitung auch auf Getränke um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Einführung der allgemeinen Impfpflicht. Weiterhin Förderprogramme für Pandemie gebeutelte Branchen anzubieten.
20-Könnten Sie Ihre Existenz verlieren, wenn die Corona Lage so bleibt oder schlimmer wird?
Das kann immer sehr schnell passieren. Lassen sie ein neues Virus kommen und keine stattlichen Hilfen auszahlen. Dann ist in ein paar Monaten alles vorbei …